Da Schweizer Illustrierte | Flüchtlingselend vor den Toren des Tessins! Doch Regierungsrat NORMAN GOBBI, 39, kennt kein Pardon: «Wir müssen die Grenze schliessen!» Hat er gar kein Mitleid mit den Kindern auf der Flucht?
Bahnhof Chiasso, direkt an der Südgrenze. Hier versuchen täglich Dutzende Flüchtlinge, von Italien in die Schweiz zu gelangen. Gleich nebenan, im Zentrum für Polizei- und Zollzusammenarbeit, sitzt Norman Gobbi. Der Tessiner Polizeidirektor gibt auf allen Kanälen Auskunft über die Flüchtlingssituation in Como und Chiasso, auch in der «Arena» des Schweizer Fernsehens. Das Rampenlicht ist Gobbi gewohnt: 2015 kandidierte der Lega-Politiker für den Bundesrat.
Herr Gobbi, wie erklären Sie Ihren Kindern die Situation in Como?
Gaia und William sind jetzt fünf und vier – zu klein, um das zu verstehen. Wären sie älter, würde ich ihnen sagen: Diese Menschen kommen zu uns, weil sie sich eine bessere Zukunft wünschen. Aber wir können ihre Erwartungen nicht erfüllen, weil diese gegen unsere Gesetze verstossen.
Welche Erwartungen meinen Sie?
Viele Migranten hoffen, sie könnten ohne Papiere durch die Schweiz nach Deutschland reisen. Aber ohne Ausweis darf sich niemand frei bewegen. Das sieht unser Gesetz nicht vor.
Sie sprechen von Gesetzen. Haben Sie nie Mitleid mit den Menschen?
Doch, vor allem mit den Kindern. Das berührt mich tief. Aber …
… Ihr oberstes Ziel ist es, dass die Lage nicht eskaliert.
Genau! Als Polizeidirektor ist meine Aufgabe klar: Ich sorge für Ruhe und Ordnung.
Das tönt sehr abgeklärt.
Mein Herz darf nicht regieren, sonst kommen das Tessin und die Schweiz nicht weiter. Das heisst aber nicht, dass die Behörden und Grenzwächter unmenschlich vorgehen. Im Gegenteil: Wir handeln im Interesse der Menschen.
Indem Sie auch Migranten abweisen, die ein Asylgesuch stellen? Das werfen Ihnen die Flüchtlinge in Como vor.
Wir schicken nur jene zurück, die bereits irgendwo registriert sind oder nach Deutschland wollen. Wer explizit in der Schweiz Asyl beantragt, nehmen wir ins Verfahren auf. Übrigens: Dieses Jahr haben in Chiasso viel mehr Menschen einen Asylantrag gestellt als letztes. Obwohl an der italienischen Südküste gleich viele Flüchtlinge angekommen sind.
Was bedeutet das?
Dass die Schweiz offen ist für alle, die tatsächlich an Leib und Leben bedroht sind. Aber eben: Es gibt viele Migranten, die bereits in Italien registriert wurden, aber nicht dort bleiben wollen.
Trotzdem kann das Leben dieser Menschen bedroht sein.
Nein! Wer wirklich Schutz braucht, stellt keine Bedingungen. Ein Migrant kann nicht auswählen, wo er leben möchte – das verstösst gegen das Gesetz. Die Migranten in Como kommen nicht aus Kriegsländern – es gibt dort keine Syrer. Der Grossteil stammt aus Schwarzafrika. Das sind Wirtschaftsflüchtlinge.
In Como schlafen Menschen auf dem Bahnsteig, der nackten Erde.
Keine Frage, das macht betroffen. Dennoch: Wir können nicht einfach unsere Türen öffnen. Sonst haben wir das gleiche Problem wie Deutschland letztes Jahr, als eine halbe Million Migranten nicht registriert wurde.
In Como warten immer mehr Migranten. Gerät die Situation an der Tessiner Grenze plötzlich ausser Kontrolle?
Nein, wir haben alles im Griff.
Was passiert, wenn die Flüchtlinge die Grenze durchbrechen?
Wenn die Migranten das versuchen, werden wir nie wieder Verständnis für sie haben. Aber: Migranten durchbrechen Grenzen selten aus eigenem Antrieb. Meist werden sie von No-Boarder-Organisationen angestachelt. Diese suchen die Provokation.
Wären Sie froh um die Armee?
Ja, wir brauchen jetzt die Militärpolizei an der Grenze. Zurzeit erhalten die Grenzwächter in Chiasso Unterstützung von ihren Kollegen aus dem ganzen Tessin. Aber diese müssen wieder zurück zu ihren eigentlichen Aufgaben.
Ihr Vorbild, der verstorbene Lega-Politiker Giuliano Bignasca, forderte eine Mauer um die Schweiz, um diese vor Migranten zu schützen. Sehen Sie das gleich?
Wir müssen unsere Grenzen mit einem virtuellen Zaun schützen – indem wir jeden Migranten kontrollieren. Denn jeder illegale Einwanderer kann kriminell werden. Wovon soll er sonst leben? Darum müssen wir die Grenze schliessen!
Darf die reiche Schweiz so kaltherzig sein?
Wenn uns die Migration Milliarden kostet, sind wir gar nicht mehr so reich. Ausserdem müssen wir nicht die Probleme der anderen lösen.
Wer muss die Probleme lösen?
Die EU-Staaten! Sie müssen die Flüchtlinge solidarisch untereinander aufteilen.
Und die Schweiz?
Wir haben das Dublin-Abkommen unterschrieben. Daher muss auch die Schweiz Flüchtlinge nur aufnehmen, wenn sie nirgendwo sonst registriert sind. Aber in der Praxis funktioniert das nicht, weil viele Länder die Migranten weiter-schicken, ohne sie zu registrieren.
Man hat den Eindruck, Sie geniessen das Scheinwerferlicht, das im Moment auf Sie gerichtet ist.
Ich muss im Scheinwerferlicht stehen, damit die übrige Schweiz weiss, was wir hier im Tessin an der Grenze leisten.
Manche werfen Ihnen vor, zu hart vorzugehen.
Darum bin ich nicht zum Bundesrat gewählt worden.