Da tagesanzeiger.ch l Ab 1. Juli gilt im Tessin das Burkaverbot. Lega-Politiker und Justizdirektor Norman Gobbi sagt, wie man künftig mit verhüllten Gästen aus dem Arabischen Raum umgeht.
Norman Gobbi, wann haben Sie das letzte Mal eine vollverschleierte Frau gesehen?Letzten Sommer in Lugano.
Was hat Sie daran gestört?
Eigentlich nichts.
Frauen mit Burka oder Niqab sind in der Schweiz ein Randphänomen. Weshalb braucht es das Verhüllungsverbot, das ab 1. Juli im Tessin gilt?
Die Verschleierung gehört nicht zu unserer Kultur. Das Gesetz schützt unsere Werte, die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Ausserdem ist das Gesicht ein wichtiges Erkennungsmerkmal. In der Schweiz besteht im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern keine Ausweispflicht.
Zu den Schweizer Werten gehört auch die Religionsfreiheit.
Wir zwingen niemanden, zum Christentum zu konvertieren. Zudem geht es nicht nur um die Religion, es ist auch eine Frage der öffentlichen Sicherheit. Das Gesetz gilt nicht nur für Niqab- und Burka-Trägerinnen, sondern auch für Demonstranten oder Fussballfans, die sich vermummen.
Am Mittwoch sind Polizisten und andere Gemeindeangestellte darüber informiert worden, wie sie das Verhüllungsverbot umsetzen sollen. Werden sie eine strenge Linie fahren?
Wir haben den Gemeindepolizisten empfohlen, vorsichtig und mit guter Gesinnung zu handeln. Sie werden nicht gleich Bussen verteilen, sondern den Leuten erst nahelegen, die Verhüllung freiwillig abzulegen.
Was, wenn das nichts bringt?
Dann können Bussen ausgesprochen werden. Wie hoch diese ausfallen, können die Gemeinden selber entscheiden. Die Verordnung der Regierung sieht in ordentlichen Fällen eine Busse von 100 bis maximal 1000 Franken vor.
Aus Frankreich, wo seit einigen Jahren ein Burkaverbot gilt, sind Fälle bekannt, in denen verschleierte Frauen alle paar Wochen angehalten und gebüsst werden. Das ist wenig nachhaltig.
Damit dies nicht passiert, werden bei uns alle kontrollierten Personen in das kantonale Polizeiregister eingetragen. So erkennen wir, ob eine verschleierte Person bereits einmal kontrolliert wurde. In schwerwiegenden Fällen oder im Wiederholungsfall gibt es die Möglichkeit, höhere Bussen bis 10’000 Franken festzulegen. Grundsätzlich ist auch ein Einschreiten der Staatsanwaltschaft denkbar.
In Frankreich kommt es auch immer wieder vor, dass verschleierte Frauen sich heftig wehren, wenn sie kontrolliert werden.
Ich war letztes Jahr in Frankreich. Viele arabische Frauen waren nicht verschleiert. Das zeigt mir, dass nur diejenigen, die provozieren wollen, sich nicht an die Regeln halten. Und solche Provokationen werden wir bestrafen. Nora Illi (die Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats, Anm. d. R.) etwa hat bereits angekündigt, dass sie am 1. Juli vollverschleiert nach Bellinzona kommen werde, um gegen das Verbot zu protestieren.
Die französische Polizei legt das Verbot grosszügig aus gegenüber vollverschleierten Touristinnen, die sich nur ein paar Tage im Land aufhalten. Wird es auch im Tessin Ausnahmen geben – etwa für saudische Familien, die nach Lugano zum Shoppen kommen?
Nein, bei uns gibt es keine Ausnahmen für Touristinnen. Das Gesetz gilt für alle.
Sie könnten damit zahlungskräftige Gäste verärgern.
Touristen, die sich verschleiern, werden vielleicht künftig nach Como gehen. Das tut mir leid, aber deswegen dürfen wir dem Druck von aussen nicht nachgeben. Bei uns zählt der Souverän, und dieser hat an der Urne entschieden, dass die Vollverschleierung nicht toleriert werden darf. Die Leute sind klug genug, sich anzupassen. Wenn wir nach Saudiarabien oder in den Iran fliegen, halten wir uns auch an die lokalen Kleiderregeln.
Werden nun im Tessin Tafeln aufgestellt, die darauf hinweisen, dass keine Burkas und Niqabs getragen werden dürfen?
Nein, informieren werden vor allem die Tourismusbüros. Zudem haben wir gemeinsam mit dem Aussendepartement des Bundes eine Sprachregelung formuliert. Die saudische Botschaft hat ihre Staatsangehörigen bekanntlich bereits über die neue Kleiderregelung im Tessin informiert. Andere Reaktionen gab es bisher nicht.
Vollverschleierte Frauen sind für die meisten Schweizer etwas Unvertrautes. Haben Sie einmal mit einer Frau gesprochen, die Burka trägt?
Nein.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)