Da NZZ.CH l Das Tessin erlebte im Juni einen grossen Ansturm von Asylsuchenden. Nun hat sich die Situation leicht entspannt – aber für Regierungspräsident Norman Gobbi ist eine Grenzschliessung nicht vom Tisch.
Peter Jankovsky, Bellinzona
Das Tessin ist eine Art Einfallstor: Die Hälfte aller Flüchtlinge, die 2014 in die Schweiz wollten, kamen in Chiasso an. Heuer war die Situation von Januar bis Ende Mai ähnlich, als insgesamt 3150 Asylsuchende gezählt wurden. Dann spitzte sich die Lage zu: Laut dem Tessiner Justiz- und Polizeidepartement registrierte man im April 613 Flüchtlinge – und im Juni deren 1766. Die Zahl habe sich fast verdreifacht, hält Departementschef Norman Gobbi (Lega) fest. Die Asylzentren in Chiasso, Losone und Biasca waren am Anschlag, zeitweise wurden die Zivilschutzanlagen von Chiasso und Stabio geöffnet. Schliesslich erwog Gobbi Ende Juni die Schliessung der Südgrenze .
Auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) spricht von einem steilen Anstieg im Mai und vor allem Mitte Juni. Insgesamt aber habe sich die Zahl der Asylgesuche bisher gemäss den Prognosen für 2015 entwickelt, so die SEM-Sprecherin Léa Wertheimer. Nun habe sich die Situation leicht entspannt; ein weiterer Anstieg sei zurzeit wenig wahrscheinlich. Laut Gobbi kamen letzte Woche 25 Asylsuchende pro Tag im Tessin an, also weniger als im Juni. «Die Situation ist nicht dramatisch, aber kritisch.» Eine Grenzschliessung bleibt daher für Gobbi eine Option – sollten Frankreich und Österreich weiter ihre Grenzen blockieren und der Andrang von Flüchtlingen aus Italien anhalten.