Intervista pubblicata nel’edizione di venerdì 15 maggio 2020 della Tessiner Zeitung
Soeben hat Norman Gobbi (Lega) das Amt des Tessiner Regierungspräsidenten übernommen.
Im Interview äussert er sich zur aktuellen Situation
Herr Gobbi, Sie übernehmen dieses Amt in einer für den Kanton Tessin besonders schwierigen Zeit. Nach fast zwei Monaten Lockdown befinden wir uns in der Phase der Wiederaufnahme vieler Aktivitäten, die obligatorischen Schulen sind teilweise wieder geöffnet worden. Mit welchem Bewusstsein gehen Sie diese Phase 2 an?
Im Bewusstsein, dass wir vor einer sehr schwierigen Aufgabe stehen, weil die Situation wirklich aussergewöhnlich ist. Die politische Klasse – von der Regierung bis zum Parlament, von der Tessiner Deputation in Bern bis zu den Gemeinden – ist aufgerufen, kohärent zu handeln, auf der Suche nach dem Gemeinwohl. Der Zusammenhalt und das Verantwortungsgefühl, die sich in der akuten Phase der Krise bewährt haben, muss auch diese zweite Phase bestimmen. Dies ist mein Wunsch.
Stimmt es, dass Sie einen langsameren Neustart vorgezogen hätten?
Der von den Bundesbehörden vorgesehene Zeitplan sah eine stufenweise Öffnung für diverse Branchen vor. Dies hätte eine genauere Analyse ermöglicht, welche Öffnungen welche Konsequenzen haben, wie auch der Kantonsarzt Giorgio Merlani betonte. Daher hoffe ich, dass die von Bern gewünschte Beschleunigung keine negativen Folgen für das Tessin haben wird, das eine dramatischere Situation erlebt hat als viele andere Schweizer
Kantone.
Viele kleine Geschäftsleute quälen grosse Sorgen, befürchten einen Konkurs, einige Gastrobetriebe werden nicht mehr öffnen. Welche Zukunft sehen Sie für die Wirtschaft im Tessin?
In Bezug auf das Gaststättengewerbe befürchte ich, dass einige Betriebe wohl definitiv schliessen werden. Der Tourismus, eine der Schlüsselbranchen unserer Wirtschaft, wird unter dieser Situation stark leiden. Ganz allgemein: Wir müssen wichtige Massnahmen zur Unterstützung unserer Wirtschaft ergreifen; diese muss aber auch Eigeninitiative zeigen. Ich kann die Zukunft nicht vorhersehen. Jeder ist aufgerufen, seinen Beitrag zu leisten. Wir müssen auch den nationalen und internationalen Kontext berücksichtigen und vielleicht Produkte, die den Binnenhandel befriedigen, wiederentdecken und aufwerten.
Ein Blick zurück auf die akute Phase: Das Einkaufsverbot für über 65-Jährige wurde sehr kontrovers diskutiert. Diese Massnahme musste zurückge-nommen werden, auch weil sie mit dem übergeordneten Bundesrecht unvereinbar war. War dieses Verbot ein Fehler?
Es war insofern kein Fehler, als die Gruppe von Personen, die am stärksten vom Virus betroffen und am stärksten schutzbedürftig ist, die Risiken verstanden hat, die der Kontakt mit anderen Menschen mit sich bringt, vielleicht sogar mit asymptomatischen Personen. Das Verbot wurde in eine Empfehlung umgewandelt, weil die Gemeinden und viele Freiwillige eine lobenswerte Bereitschaft zeigten, für unsere älteren Menschen einkaufen zu gehen. Es ist kein Zufall, dass gegen die wenigen älteren Menschen, die das Verbot übertreten haben, keine Geldstrafe verhängt wurde. Die Massnahme war dreieinhalb Wochen in Kraft (vom 20. März bis 14. April), bis das morgendliche Zeitfenster für die über 65-Jährigen eingeführt wurde. Wir sind uns bewusst, dass wir ein grosses Opfer verlangt haben, aber es verfolgte einen Zweck, der zu Gunsten der älteren Menschen selbst war.
Zu Ostern wurde die Botschaft an die Deutschschweizer, nicht ins Tessin zu kommen, immer wieder wiederholt. Mehrere Touristiker befürchten, dass diese Botschaft negative Folgen für künftige Gäste jenseits des Gotthards haben wird. Wurde da nicht übertrieben?
Nein, denn die Botschaft war immer begleitet von der klaren und starken Bereitschaft des Tessins und der Tessiner Bevölkerung, Gäste von ennet des Gotthards zu empfangen, sobald die Notlage beendet ist. Zu Ostern waren wir in Not.
Man kann wieder zum Friseur und ins Nagelstudio gehen, aber nicht zur Messe in die Kirche. Gottesdienste bleiben bis zum 8. Juni verboten. Sehen Sie eine Chance, diesen Termin vorzuziehen?
Ich habe mich gemeinsam mit dem kantonalen Krisenstab verpflichtet, mit Bern Gespräche zu führen, um die Öffnung der Kirchenfür Gottesdienste im Beisein der Gläubigen zu beschleunigen. Ich glaube, dass wir mit den notwendigen Vorkehrungen zur Messe zurückkehren können. Wir werden sehen.
Haben wir in den letzten Wochen genug für unsere «spirituelle und mentale Gesundheit » getan?
Was die spirituelle Gesundheit betrifft, so kann jeder selbst eine Antwort geben. Für die psychische Gesundheit hat der Krisenstab eine Expertengruppe eingerichtet, die den Bürgern in schwierigen Zeiten hilft. Auch im Bereich des Schutzes häuslicher Gewalt haben unsere «Ableger » im Territorium – vor allem unsere Polizei – gute Arbeit geleistet.
Immer noch sind einige Grenzübergänge geschlossen, was für Grenzgänger lange nfahrtswege bedeuten kann. Können Sie die Kritik aus Italien an dieser Massnahme verstehen?
Ich kann diese in gewisser Weise nachvollziehen. Aber ich kann nicht verstehen, warum gewisse wirtschaftliche und politische Akteure in Italien fordern, dass die Schweiz ihre Grenzen noch mehr öffnen sollte, während der italienische Staat seine Grenzen vollständig geschlossen hält. In beiden Fällen handelt es sich um Massnahmen zum Schutz vor einer Ausbreitung der Ansteckung mit dem Virus. Jedes Land entscheidet über die besten Lösungen. Die Grenzgänger sollten sich nicht beschweren – und ich glaube, das tun sie auch nicht -, wenn sie etwas länger warten müssen. Denn so werden Kontrollen gewährleistet, die letztlich auch ihnen zugutekommen, aber vor allem der Bevölkerung des Tessins und damit dem Gebiet, das ihnen Arbeit gibt,
Die Coronakrise hat deutlich gemacht, wie wichtig die Präsenz von Grenzgängern für das Gesundheitssystems im Tessin ist. Welche Auswirkungen wird diese Krise auf das Verhältnis zwischen den Tessinern und den Grenzgängern haben?
Wenn jemand auf diese Notlage warten musste, um zu verstehen, dass das schweizerische Gesundheitssystem – und nicht nur das Tessiner – stark vom Ausland abhängig ist, hat er offenbar in denletzten 30 Jahren nicht in der Schweiz gelebt. Ich hoffe einfach, dass diese Krise viele Menschen dazu bringt, unser Verhältnis zu den Grenzgängern zu überdenken. Ist der Grenzgänger immer unentbehrlich? Gibt es keine Einwohner im Tessin, welche eine Stelle von Grenzgängern besetzen könnten?
Im September werden wir über die SVP-Begrenzungsinitiative abstimmen. Glauben Sie, dass die Coronakrise Auswirkungen auf diese Abstimmung auf das Abstimmungsverhalten der Tessiner haben wird?
Ich denke, sie wird Konsequenzen für die ganze Schweiz haben. Wir sollten die Tessinerinnen und Tessiner nicht immer als eine separate Einheit sehen, die sich vom Rest unserer Schweizer Mitbürger unterscheidet. Eine Krise legt den Fokus auf die Stärke der einzelnen Länder, auf die Autonomie und Fähigkeit, das Wohl der eigenen Bürgerinnen und Bürger zu fördern und zu garantieren. Sie hinterfragt die – positiven und negativen – Folgen einer massiven Präsenz von Ausländern in der Schweiz und die Wirksamkeit unseres Sozial- und Wirtschaftssystems. Die Belastbarkeit eines Systems hängt auch von seiner Fähigkeit ab, die Einwanderung zu steuern und nicht zu sehr von Dritten abhängig zu sein. Welche Ziele haben Sie sich für Ihr Präsidentschaftsjahr gesetzt?
Das ganze Jahr über werden wir mit den Folgen der Coronakrise konfrontiert sein, die nach der gesundheitlichen eine wirtschaftliche, soziale und finanzielle Krise ausgelöst hat. Die Förderung der Zusammenarbeit und des Dialogs zwischen den institutionellen Ebenen wird von entscheidender Bedeutung sein. Heute bauen wir unsere Zukunft auf. Ich werde hart daran arbeiten, das Engagement der Regierung in allen Bereichen zu koordinieren. Ich will die Schwierigkeiten nicht verstecken; wir müssen alle gemeinsam Reife und Verantwortung zeigen. Wir fordern dies und haben es von unseren Mitbürgern gefordert: Deshalb müssen wir als erste ein Beispiel geben.
Zur Person
Norman Gobbi (43) wurde im April 2011 erstmals zum Staatsrat des Kantons Tessin gewählt. Seither leitet er das Kantonale Departement für Inneres, Justiz und Polizei (Dipartimento delle istituzioni). Er ist Exponent der Bewegung Lega dei Ticinesi. Im November 2015 wurde er von der SVP Schweiz offiziell als Bundesratskandidat lanciert, unterlag aber bei den Wahlen im Dezember 2015 Guy Parmelin. Gobbi ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Airolo.
Internet: www.normangobbi.ch