Da Tages Anzeiger | Der Bundesrat soll sich gut überlegen, wie er das Waffengesetz verschärfen will, sagt Luca Filippini, der neue Präsident des Schweizer Schiesssportverbands. Die Schützen stehen bereit für einen Referendumskampf.
Mit Luca Filippini sprach Janine Hosp
Nur wer in einem Schützenverein ist, darf künftig eine halb automatische Waffen besitzen. Der Bundesrat will voraussichtlich so die EU-Vorgaben für Schengen-Staaten erfüllen. Etwas Besseres kann Ihnen nicht passieren.
Da bin ich anderer Meinung. Die EU reagiert mit der Verschärfung der Waffengesetze auf die Terroranschläge in Europa. Es ist schrecklich, was geschehen ist. Aber wenn jemand ein Attentat plant, wird er sich nicht legal eine Waffe besorgen, er findet andere Wege. Schärfere Gesetze bringen nichts. Man bestraft damit die anständigen Bürger und gaukelt eine Scheinsicherheit vor.
Aber Sie könnten durchaus noch ein paar Mitglieder brauchen?
Natürlich, wie andere Sportvereine auch. Wir wollen jedoch nur Mitglieder, die freiwillig zu uns kommen und nicht solche, die gezwungen werden.
Haben Sie Angst, dass auch Personen in Schützenvereine kommen könnten, denen es nicht um den Sport geht, sondern die tatsächlich ein Verbrechen planen?
Die Vereine schauen die potenziellen Mitglieder natürlich an. Wir wollen nur solche, die sich an die Gesetze halten. Für die Kaufbewilligung einer Waffe ist die Polizei zuständig. Es gibt aber ein anderes Problem: Unsere Schiessstände sind nur für Disziplinen mit Armeewaffen vorgesehen und auch nur für solche bewilligt. Es gibt aber noch viele andere Typen halb automatischer Gewehre. Ich frage mich: Welchem Verein können deren Besitzer beitreten?
Die Schützen sind eine politische Kraft. 1992 sind sie zu Tausenden vor dem Bundeshaus aufmarschiert und haben dazu beigetragen, dass das Stimmvolk den Kauf der F/A-18-Kampfjets bewilligte. Für den Bundesrat könnte es schwierig werden, etwas gegen den Willen der Schützen durchzusetzen.
Ich erinnere mich noch gut an diese Kundgebung auf dem Bundesplatz. Ich war damals 24 Jahre alt und bin mit anderen Schützen aus dem Tessin nach Bern gereist. Ja, wir haben eine gewisse Macht. Unser Verband zählt 130 000 Mitglieder und kooperiert mit anderen Interessengruppen, etwa mit den Jägern. Es lohnt sich, wenn der Bundesrat eine gute Lösung findet, damit wir nicht das Referendum ergreifen.
Im August startet der Bundesrat die Vernehmlassung zu den Änderungen im Waffenrecht. Welche Verschärfungen würden die Schützen nie akzeptieren?
Es ist noch nicht bekannt, was der Bundesrat plant. Es stehen aber drei Massnahmen zur Diskussion, die wir sicher nicht akzeptieren werden. Neben dem Vereinszwang sind es die Bedarfsklausel und die Bewilligung auf Zeit: Das heisst, man darf seine Waffe nur so lange behalten, wie man sie braucht, einem Verein angehört und regelmässig schiesst. Sonst wird sie eingezogen. Das stört mich sehr. Ich habe meine Waffe gekauft und dafür bezahlt. Sie ist mein Eigentum. Da kann der Staat nicht kommen und sie mir wegnehmen. Wenn der Bundesrat nur eine dieser Regelungen einführen wollte, bringen wir sie vors Volk.
Dann müssten sich die Schützen vorwerfen lassen, zu riskieren, dass sich die Schweiz aus dem Schengen- Abkommen verabschieden muss.
Wir sind nicht gegen Schengen. Es liegt an den Politikern, eine Lösung zu finden, die dem Volkswillen entspricht.
Waffenbesitzern könnte es im Grunde gleichgültig sein, wenn sie eine Waffe abgeben müssten, die sie nicht brauchen. Weshalb ist Ihnen eine Waffe im Schrank so wichtig?
Wir sprechen vom persönlichen Eigentum! Ein freiheitliches Waffenrecht ist Ausdruck davon, dass der Staat seine Bürger nicht bevormundet, sondern ihnen vertraut und sie als gleichberechtigt betrachtet. In einem Staat mit Milizsystem ist die Waffe das Symbol des mündigen Bürgers. Weshalb sollte ein Bürger, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, keine Waffe kaufen dürfen?
In der Schweiz ereignen sich in Familien überdurchschnittlich viele Mordfälle mit Waffen.
Eine Waffe schiesst nicht von alleine. Es kommt darauf an, wie man mit ihr umgeht. Andere Staaten haben die Waffen eingezogen, die Kriminalität ist aber nicht gesunken. Wenn jemand ausrastet, nimmt er, was er gerade zur Hand hat.
Angenommen, Sie haben Erfolg und der Bundesrat verzichtet auf einen Vereinszwang: Gibt es in hundert Jahren noch Schützenvereine?
Sicher! Natürlich ist es schwieriger geworden, Mitglieder zu gewinnen. Früher hatte es in jedem Dorf einen Musik-, einen Turn- und einen Schützenverein, und einem davon ist man beigetreten. Heute ist das Angebot riesig.
Wie wollen Sie neue Mitglieder gewinnen?
Wir wollen den Schiesssport mit neuen Disziplinen attraktiver machen. Zum Beispiel mit den ISSF Target Sprints, eine Kombination von Schiessen und Laufen, was vor allem bei Jüngeren gut ankommt. Gleichzeitig haben wir mit dem Auflageschiessen eine Disziplin geschaffen, die es Älteren ermöglicht, länger aktiv zu bleiben: Die können die Waffe beim Schiessen auflegen. Aber wir Schützen sind eher konservativ. Es braucht Zeit, bis neue Disziplinen akzeptiert werden.
Sie könnten mehr Frauen zu gewinnen versuchen – am Zürcher Knabenschiessen waren Sie in den letzten Jahren so erfolgreich, dass der Ruf laut wurde, die Knaben aus dem Namen zu entfernen.
Frauen sind tatsächlich sehr gute Schützinnen; sie haben fast die bessere innere Ruhe als Männer. Es kommen immer mehr Frauen zu uns, was wir sehr schätzen. Mittlerweile sind etwa 15 000 unserer 130 000 Mitglieder Frauen.
Was macht einen Schützen aus?
Der Schütze ist ein normaler Bürger mit einer grossen Leidenschaft. Unsere Vereine sind so gut durchmischt, dass sie dem Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung entsprechen – nur sind wir etwas konservativer, etwas näher an den Traditionen, etwas patriotischer.
Sie selbst schiessen seit 37 Jahren. Was gefällt Ihnen an diesem Sport?
Im Prinzip kämpft man immer gegen sich selber, selbst wenn man in einer Mannschaft schiesst. Beim Schiessen kann man nur besser werden, indem man sich selber kennen lernt, wenn man weiss, wie man in schwierigen Situationen reagiert und wenn man mit seinen Gefühlen umgehen kann. Ich bin mehrmals Tessiner Meister geworden. Heute fehlt mir die Zeit, um regelmässig zu üben.
Sie sind Generalsekretär von Lega-Staatsrat Norman Gobbi. Auch er ist Schütze.
Ja, wir teilen diese Leidenschaft. Wir arbeiteten im Vorstand des kantonalen Schützenverbands zusammen – er war für die Kommunikation zuständig, ich für die Ausbildung.
Und so wurden Sie sein Generalsekretär.
Das Tessin ist klein.