Der Mann, der die Schweizer Grenze dichtmachen will

Da aargauerzeitung.ch l Am Wochenende forderte der Tessiner Staatsrat Norman Gobbi, die Grenze nach Italien müsse geschlossen werden. Wer ist dieser Mann?  Norman Gobbi ist eine imposante Figur. Und das weiss er selbst am besten. «Ich bin schnell gewachsen», schreibt er auf der Startseite seiner Website. «In die Höhe und in die Breite.» Schon in seiner Jugend habe er sich mehr für Gaumenfreuden als für Sport interessiert. Und so sei er halt rasch zum Schwergewicht geworden, auch wenn er geschwommen sei, geturnt habe, Ski gefahren sei, Eishockey und Volleyball gespielt habe.

Noch heute veröffentlicht Gobbi, mittlerweile 38-jährig, in seinem Blog regelmässig Kochrezepte. Er führe damit die Tradition seiner Grosseltern weiter, die ein Restaurant, einen Laden und eine Bäckerei geführt hätten, sagt er, der in Quinto in der Leventina geboren ist. Einem Dorf, das wenig mehr zu bieten hat als den HC Ambri-Piotta, den so häufig tragisch scheiternden Eishockeyverein. Der sich aber allen Widrigkeiten zum Trotz seit 30 Jahren ununterbrochen in der höchsten Liga hält – auch dank Gobbi, der dem Verein vier Jahre lang als Verwaltungsrat diente.

Auch als Politiker kennt Gobbi bisher kein Scheitern. Mit 14 Jahren tritt er der Lega dei Ticinesi bei, jener Partei, die noch weiter rechts politisiert als die SVP und die Stammtisch-Ängste im Südkanton für sich reklamiert hat. Mit 19 wird er in den Gemeinderat von Quinto gewählt, mit 22 ins Kantonsparlament, mit 32 in den Nationalrat.

Grenzgänger und Flüchtlinge

Doch bald verlässt Gobbi die nationale Ebene wieder. Er wird zu Hause gebraucht. Im April 2011 erobert er für die Lega einen zweiten Sitz im Staatsrat. In der Kantonsregierung führt er sich mit einem Paukenschlag ein: Dank seiner Stimme entscheidet die fünfköpfige Exekutive, die Hälfte der von italienischen Grenzgängern erhobenen Quellensteuer zu blockieren. Um so den Druck auf den Bundesrat zu erhöhen, endlich die Verhandlungen mit Italien um ein Doppelbesteuerungsabkommen zu intensivieren. Eine fast schon ungeheuerliche Provokation.

Von Bundesbern fühlt sich Gobbi stets zu wenig ernst genommen – eine Sorge, die er mit Politikern aller Tessiner Parteien teilt. So ist auch die Idee zu erklären, mit der er am vergangenen Wochenende für Schlagzeilen sorgte. «Wenn der Andrang der Asylsuchenden aus Italien anhält, müssen wir die Grenze vorübergehend schliessen», sagte er, der dieses Jahr Regierungspräsident ist, zur «NZZ am Sonntag». Lega-Kollege und Nationalrat Lorenzo Quadri assistierte in der «Schweiz am Sonntag»: «Ich wäre für einen Zaun.» Das Tessin sei mit der Aufnahme von immer mehr Flüchtlingen überfordert, begründen die beiden Politiker. Allein in der letzten Woche sind 540 Migranten von der Grenzwache im Tessin angehalten worden, 170 mehr als noch in der Vorwoche. Von Januar bis Mai registrierte das Grenzwachtkorps in Chiasso 3150 «rechtswidrige Aufenthalter» – das entspricht 45 Prozent aller an Schweizer Grenzen festgestellten Fälle.

Druck auf Bundesbern wächst

Auch Gobbi wird wissen, dass seine Forderung nach einer Grenzschliessung provoziert. Doch Provokation gehört zu seinen Rezepten. «Er ist zwar kein ungehobelter Rüpel, wie es sein Ziehvater und Lega-Gründer Giuliano Bignasca war», sagt ein Kenner der Tessiner Politik. «Aber halt beileibe auch kein Grand Seigneur.» Damit endlich auch Bundesbern der Tessiner Befindlichkeiten gewahr wird, lässt Gobbi nichts unversucht. Auf seine Einladung hin tagt die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates gestern und heute im Südtessin. Und am Freitag wird Gobbi von seinen Kollegen der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren dringliche Massnahmen verlangen.

von Dennis Bühler, http://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/artikel-129270143

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