Der Kanton Tessin rückt weiter nach rechts

Der Kanton Tessin rückt weiter nach rechts

Da TagesAnzeiger.ch (foto Keystone). Die Lega dei Ticinesi hat die Staatsratswahlen gewonnen, die FDP hat ihr Wahlziel knapp verpasst. Die Grünen blieben weit unter den Während in den Kantonen Luzern und Zürich bei den jüngsten Wahlen die bürgerlichen Parteien zugelegt haben, ist der Kanton Tessin bei den Erneuerungswahlen für den Staatsrat, die Kantonsregierung, an diesem Wochenende weiter nach rechts gerutscht. Die Ergebnisse für den Kantonsrat werden im Laufe des Montags bekannt.

Die rechtspopulistische Regionalbewegung Lega dei Ticinesi, ein Unikum in der Schweizer Politlandschaft, konnte gestern ihren Triumph von 2011 wiederholen und erreichte einen Wählerstimmenanteil von 23,58 Prozent. Damit stellt die Bewegung trotz leichter Verluste (minus 2,3 Prozent gegenüber 2011) weiterhin zwei Staatsräte. Die bisherigen Amtsinhaber Claudio Zali sowie Norman Gobbi wurden bestätigt. Dieses deutliche Ergebnis war so nicht erwartet worden, da die Lega ihren Wahlkampf dieses Mal ohne ihren legendären und 2013 verstorbenen Gründer Giuliano Bignasca führen musste. Dazu kam, dass die Lega nicht mehr auf die Unterstützung der SVP zählen konnte, die mit einer eigenen Listenverbindung «Die Rechte» antrat, weil sie sich von der Lega verraten fühlte. Die Verbindung der Rechtsparteien erreichte einen Wählerstimmenanteil von knapp 4 Prozent.

«Rechte hat mehr Vertrauen»

Die FDP konnte ihr erklärtes Wahlziel, den 2011 verlorenen Sitz im Staatsrat ­zurückzuerobern, nicht erreichen. Der Ausgang war aber denkbar knapp – bis am Schluss war es ein knappes Rennen zwischen Lega und FDP. «Wir konnten den Abwärtstrend stoppen», kommentierte FDP-Kantonalpräsident Rocco Cattaneo mit einer gewissen Genugtuung. Der Wähleranteil erreichte 23,03 Prozent. Die FDP zog ohne die bisherige Staatsrätin Laura Sadis ins Rennen, die nach Querelen mit der Parteileitung auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte. Die FDP bestätigte somit ihren einzigen Sitz in der Regierung. Diesen wird der bisherige Fraktionschef Christian Vitta einnehmen.

Auch die CVP und die SP konnten ­ihren jeweiligen Staatsratssitz verteidigen, mussten bei den Wähleranteilen aber Federn lassen. Die CVP rutschte auf unter 15 Prozent, die SP auf unter 13 Prozent ab. Manuele Bertoli (SP) wurde als Staatsrat bestätigt – über sein Partei­ergebnis war er nicht glücklich, wie er gegenüber dem TA sagte. «Die Tessiner scheinen der Rechten mehr zu vertrauen», kommentierte er, nachdem er die Wähleranteile für die Lega und «Die Rechte» zusammengezählt hatte. Für die CVP wurde Gesundheitsdirektor Paolo Beltraminelli bestätigt. Damit besteht der neue Staatsrat ausschliesslich aus Männern.

Weit unter den Erwartungen blieben mit einem Wählerstimmenanteil von rund 4,4 Prozent die Grünen. Deren Koordinator Sergio Savoia, ein Querdenker und Unterstützer der SVP-Masseneinwanderungsinitiative, hatte Hoffnungen auf einen Staatsratssitz gehegt. Davon blieb er meilenweit entfernt. Als letzter Kanton der Schweiz wählt der Kanton Tessin seine Regierung nach dem Proporzsystem. Das bedeutet auch, dass die persönliche Popularität einzelner Parteiexponenten nicht so ausschlag­gebend ist wie bei Exekutivwahlen in anderen Kantonen, die im Majorzverfahren organisiert sind.

Der langjährige Lega-Staatsrat und amtierende Stadtpräsident von Lugano, Marco Borradori, zeigte sich positiv überrascht vom Ergebnis. Er deutete an, dass die Lega nun noch mehr Verantwortung im Staatsrat und das Finanz- und Wirtschaftsdepartement übernehmen müsste. Die Lega hatte sich in ­ihrem Wahlkampf ganz auf eine Eindämmung der Grenzgänger konzentriert, die im Südkanton ein Politikum erster Güte darstellen. Mehr als ein Viertel aller ­Arbeitsplätze wird von Pendlern aus ­Italien besetzt. Das tägliche Verkehrschaos, insbesondere im Südtessin, und die Verdrängung einheimischer Arbeitskräfte, gekoppelt mit permanentem Lohndruck, sind deshalb Dauerthema.

Hohe Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung betrug am gestrigen Sonntag 62,3 Prozent und stieg damit ­gegenüber 2011 um 3,5 Prozent an. Dafür dürfte die Einführung der Briefwahl ausschlaggebend sein. Von dieser neuen Möglichkeit, die in den anderen Schweizer Kantonen längst Realität ist, machten 82,7 Prozent der Stimmbürger Gebrauch. Ein Wahlbetrug sorgte allerdings in den letzten Tagen für Aufregung. FDP-Grossratskandidat Michele Kauz hatte sich Bilder verschickt, die zeigen, dass er 14 Wahlzettel ausgefüllt hatte. Die Staatsanwaltschaft leitete auf Anzeige der Grünen eine Untersuchung ein. Zudem hatten einige Bürger ihre Wahlunterlagen auf Onlineportalen zum Verkauf angeboten.

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Der-Kanton-Tessin-rueckt-weiter-nach-rechts/story/19053268

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