Da Tages Anzeiger, 17 agosto 2016 | Asylsuchende werden angeblich an der Südgrenze abgewiesen, ohne dass sie ein Gesuch stellen können. Der Tessiner Justiz- und Polizeidirektor Norman Gobbi nimmt Stellung.
Herr Gobbi, werden Flüchtlinge nach Italien zurückgeschafft, ohne dass sie ein Asylgesuch stellen können?
Die Schlussfolgerung, die Schweiz verhindere den Zugang zum Asylrecht, ist nicht korrekt. Das Grenzwachtkorps übergibt alle Personen, die klar und deutlich Asyl verlangen, dem Staatssekretariat für Migration. Viele Asylsuchende wollen ihr Gesuch im Empfangs- und Verfahrenszentrum aber wieder zurückziehen. Diese Personen werden durch das Grenzwachtkorps nach Italien zurückgeschafft.
Der «SonntagsZeitung» und Radio SRF sagten Sie aber, dass nur noch «glaubwürdige Asylgesuchsteller» ins Land gelassen würden, und dass Flüchtlinge, die mehrfach über die Schweiz nach Deutschland zu gelangen versuchten, auch dann nach Italien zurückgeschickt würden, wenn sie beim dritten oder vierten Mal plötzlich Asyl verlangen würden. Was stimmt nun?
Unglaubwürdig sind Migranten, die bei einer Überprüfung durch das Grenzwachtkorps ihre wahre Absicht zugeben, nach Deutschland zu wollen. Ebenso unglaubwürdig sind Personen, die ihr Asylgesuch wieder zurückziehen.
Flüchtlinge beklagen sich, sie hätten kein Asylgesuch stellen können, obwohl sie dies verlangt hätten. Wie erklären Sie sich das?
Wer dies klar und deutlich verlangt, kann ein Gesuch stellen. In manchen Fällen kommen Flüchtlinge mit einem von Hilfsorganisationen ausgefüllten Blatt über die Grenze. Ein Asylgesuch muss aber direkt von der betroffenen Person gestellt werden, und nicht von Dritten. Zudem stimmen diese Papiere nicht immer mit ihren wahren Absicht überein.
Das Grenzwachtkorps kontrolliert die Züge von Italien in die Schweiz derzeit stärker als früher. Wieso?
Die Züge wurden immer schon kontrolliert. Heute vielleicht etwas häufiger, weil der Andrang auch grösser ist. Die Kontrolle der Südgrenze ist auch für die Sicherheit des restlichen Landes wichtig, wenn etwa Diebe oder Bettler aus Mailand über das Tessin einreisen.
Was soll nun mit den Menschen geschehen, die in Como und in Mailand festsitzen?
Die italienische Behörden sind daran, Lösungen zu suchen. Es stimmt also nicht, dass diese nichts unternehmen. Die Migranten in Ventimiglia an der Grenze zu Frankreich aber auch jene in Como werden in Verfahrenszentren der italienischen Behörden gebracht werden. Letzlich handelt es sich aber um ein ungelöstes Problem der Europäischen Union.