Da San Galler Tagblatt – Gerhard Lob
Der Tessiner Lega-Regierungsrat Norman Gobbi ist offizieller SVP-Bundesratskandidat. Er sieht sich als Brückenbauer zwischen den Landesteilen. Auf Jugendsünden angesprochen, sagt er: «Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.»
Vor einer Woche wurden Sie von der SVP als offizieller Bundesratskandidat nominiert. Was treibt Sie persönlich an, dieses hohe Amt anzustreben?
Norman Gobbi: Als Kandidat und Vertreter der italienischen Schweiz auf dem Dreierticket sehe ich mich in einer Scharnierfunktion für die Landesteile. Das ist wichtig. Ich will ein Brückenbauer sein – innerhalb der Schweiz zwischen den Sprachregionen und mit unsern Nachbarländern, insbesondere mit Italien.
Eine Reihe von Kommentatoren sprechen von einer Alibi-Kandidatur aus der italienischen Schweiz,zumal sie erst vor wenigen Tagen der SVP beigetreten sind.
Gobbi: Ich sehe mich nicht als Alibi-Kandidat. Das Tessin ist auch kein Alibi-Kanton, sondern vollwertiges Mitglied der Eidgenossenschaft. Die italienische Schweiz ist seit 16 Jahren nicht mehr in der Landesregierung vertreten. Daher würde meine Wahl die nationale Kohäsion stärken. Und in der Verfassung steht, dass die verschiedenen Landesteile in der Landesregierung angemessen vertreten sein sollen.
Aber es reicht ja wohl nicht, einfach Tessiner zu sein, um Bundesrat zu werden?
Gobbi: Ich bringe auch meine Person und politische Erfahrung als Gemeinde-, Kantons-, National- und Regierungsrat mit ein. Ich bin in interkantonalen Gremien tätig. Ich verfüge über Sachkenntnisse in Sicherheits-, Migrations- und Integrationsfragen und führe als aktueller Regierungspräsident der Repubblica e Cantone Ticino 1500 Mitarbeitende.
Ihr Verhalten aus dem Jahr 2007 sorgte für Schlagzeilen, als Sie einen schwarzen Eishockeyspieler des HC Lugano als «negro» bezeichneten und dafür gebüsst wurden.
Gobbi: Ich stehe zu meinen Jugendsünden und ich bin nicht stolz darauf. Ich habe mich auch entschuldigt. Aber schon in der Bibel steht: «Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.» Dieses Gebot hat man bei früheren Bundesräten mit Jugendsünden manchmal auch berücksichtigt und ist gut gefahren damit.
Sie sprechen von Jugendsünden. Doch Sie waren damals 30 Jahre alt und bereits Grossrat.
Gobbi Aus Fehlern lernt man. Heute bin ich Regierungsmitglied. Das Amt prägt und verändert. Mit Jugendsünden meine ich, wenn man erstmals etwas falsch macht. Heute bin ich in der Sache auch hart, aber stets mit Respekt.
Sie präsentierten sich als Brückenbauer. Doch Ihre Mutterpartei – die Lega – forderte wiederholt, Mauern zu bauen, insbesondere an der Grenze nach Italien. Wie geht das zusammen?
Gobbi: Man muss auch sehen, dass die Lega die einzige Partei war, die grenzüberschreitende Kontakte pflegte. Aber hier antworte ich heute als Norman Gobbi, als SVP-Bundesratskandidat, nicht als Lega. Ich bin Italien politisch gegenüber kritisch, aber in Sachen Sicherheit strebe ich eine enge Zusammenarbeit an.
Sie selbst haben dieses Jahr gefordert, die Grenzen zu schliessen und die Verhandlungen in Steuerfragen mit Italien abzubrechen. Das tönt nicht nach Brücken.
Gobbi: Die Einführung von Grenzkontrollen forderte ich im Juni dieses Jahres, als Italien darauf verzichtete, das Dubliner-Abkommen anzuwenden, indem nur noch jeder dritte Migrant erfasst wurde.
Die von Ihnen eingeführten Massnahmen für Grenzgänger und Aufenthaltsbewilligungen haben viel Staub aufgewirbelt und auch zu Kritik aus Bern geführt. Diese Woche nun wurde eine Massnahme zurückgenommen. Grenzgänger müssen kein Zertifikat über laufende Verfahren mehr bringen. Ist das ein taktisches Manöver vor der Wahl?
Gobbi: Nein, das ist ein Regierungsentscheid, um die Steuerverhandlungen mit Italien nicht zu blockieren. Aber die Pflicht, einen Strafregisterauszug für Bund G-Bewilligungen vorzuweisen, wird beibehalten. Daran werde ich nicht rütteln.
Die SP meint, es seien nur Kandidaten wählbar, die sich eindeutig zur europäischen Menschenrechtskommission bekennen. Tun Sie das?
Gobbi: Man kann gar nicht gegen Menschenrechte sein. Wenn man sie aber zu weit fasst, dann werden sie zahnlos und verlieren ihre Wirkung.
Unterstützen Sie die SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter»?
Gobbi: Die Selbstbestimmungs- Initiative der SVP stellt das Völkerrecht nicht in Frage. Sie will nur den schleichenden Souveränitätsverlust bremsen, der in einem immer engeren Netz von Abkommen, Verträgen und Nachvollzug entsteht und unsere Freiheit und die direkte Demokratie einschränkt.
Sie sind Lega-Regierungsrat, aber SVP-Kandidat. Kann man gleichzeitig zwei Parteihemden tragen?
Gobbi: Ich bin dankbar und freue mich, dass mich die SVP auf ihr Ticket genommen hat, obwohl ich nicht stramm auf ihrer Linie politisiere. Uns verbinden aber die gemeinsamen Werte, allen voran die Freiheit