Renitente Asylbewerber sollen im Kanton Tessin schon bald in ein Speziallager kommen.
Bern hat dem Tessin am Donnerstag grünes Licht gegeben für das Spezialzentrum für renitente Asylbewerber. Das bestätigt Staatsrat Norman Gobbi. Er will nun durchgreifen.
Das Tessiner Spezialzentrum für renitente Asylbewerber wird bald Realität. «Mario Gattiker, der Chef des Bundesamts für Migration (BFM), gab am Donnerstag seine Zustimmung zum Pilotprojekt», sagt der Tessiner Staatsrat Norman Gobbi. Eine Aussage, welche das BFM bestätigt.
Die Tessiner Regierung will eine Art Internierungslager für Asylbewerber erstellen, die kriminell geworden sind. Dafür sollen ausserhalb Chiassos Container aufgebaut werden. «Das ist ein Vorschlag des Tessins», sagt BFM-Chef Mario Gattiker. «Es geht dabei um erhöhte Freiheitsbeschränkung.» Das bedeutet: Asylbewerber, die in diesem Spezialzentrum untergebracht werden, sollen nicht mehr die volle Bewegungsfreiheit haben.
Der Kanton Tessin und das Bundesamt für Migration berufen sich dabei auf Artikel 74 und 75 des neuen Ausländergesetzes, das Ex-Justizminister Christoph Blocher 2006 in einer Volksabstimmung durchbrachte. In Artikel 74 geht es um die so genannte «Eingrenzung» und «Ausgrenzung». Was sie bedeuten, erklärt Absatz 1: «Die zuständige kantonale Behörde kann einer Person die Auflage machen, ein ihr zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten», heisst es dort, «wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört oder gefährdet.»
Artikel 75 regelt unter dem Titel «Vorbereitungshaft» Verstösse. Die zuständige kantonale Behörde könne eine Person «für höchstens sechs Monate in Haft» nehmen, wenn sie «ein ihr nach Artikel 74 zugewiesenes Gebiet verlässt». Gattiker sagt es deutlicher: «Wer sich nicht an die Eingrenzung hält, begeht ein strafrechtliches Delikt: Er kann bis zu 12 Monaten in Haft sitzen.»
Damit stellen sich viele Fragen. Welche Regeln gelten im Spezialzentrum? Dieselben wie in einem normalen Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ)? Oder strengere? Dürfen die Asylbewerber das Zentrum verlassen? Wenn ja: Wie weit dürfen sie sich entfernen? Gibt es im Spezialzentrum spezielle bauliche Massnahmen? «Diese Fragen werden wir in den nächsten Wochen gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration klären», sagt Staatsrat Gobbi. Das BFM soll im Zentrum gewisse Aufgaben übernehmen. «Wir prüfen das Zentrum jetzt, da sich komplexe rechtliche und finanzielle Fragen stellen, auch im Zusammenhang mit der Europäischen Menschenrechtskonventin (ERMK)», sagt Gattiker. «Es geht um Freiheitsbeschränkung, die zu Freiheitsentzug führen kann.»
Norman Gobbi seinerseits macht keinen Hehl daraus, dass er durchgreifen will. «Als Vorsteher des kantonalen Justiz-, Polizei und Militärdepartements möchte ich in diesem Spezialzentrum nicht dieselben Regeln haben wie in einem Empfangs- und Verfahrenszentrum», sagt er. Und, unmissverständlich: «Ausgrenzung und Eingrenzung muss den Asylbewerbern gegenüber als starkes Signal dienen.» Er wolle nicht, «dass falsches oder unkorrektes Benehmen» von Asylbewerbern «keine Folgen» habe.
Starke Signale renitenten Asylbewerbern gegenüber hält man auch beim Bund für notwendig. «Wir haben ein Sicherheitsproblem und müssen etwas tun», sagt Gattiker. «Die Sicherheitskosten stiegen 2011 von 12 auf 20 Millionen Franken.» Das habe auch damit zu tun, dass die Asylgesuche um 4,5 Prozent oder 7000 Personen gestiegen seien, was überall für engere Verhältnisse sorge. Gattiker: «Wir haben teilweise schwierige Asylsuchende und wir benötigen deshalb zusätzliche Sicherheits-Patrouillen.»
Nulltoleranz: Das ist die neue Haltung von Bund und Kanton Tessin Asylbewerbern gegenüber, die stehlen, trinken und die Bevölkerung belästigen.
Von Othmar von Matt / Samstag, 04. Februar 2012 23:10 / Foto Keystone
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